Red Dot Design Award
Den Wert von Design erkennen und fördern – diesem Ziel widmet Hiroshi Ishibashi seine gesamte Karriere. Was mit der Arbeit für das familieneigene Unternehmen Bridgestone beginnt, findet seinen Höhepunkt im 2020 eröffneten Artizon Museum. Dazwischen liegen rund 40 Jahre intensiver Arbeit in eigens gegründeten Unternehmen und mit internationalen Partnern.
Für sein Engagement, welches ganz im Zeichen der Designförderung steht, wird Hiroshi Ishibashi 2023 mit dem Red Dot: Personality Prize geehrt.
Für Red Dot sprach Gordon Bruce, Mitglied der Red Dot Jury und ehemaliger Kommilitone von Hiroshi Ishibashi, mit dem Ehrentitelträger über sein Leben und Wirken in der japanischen Wirtschaft und Designszene.
Interview mit Hiroshi Ishibashi
Wie, wann und weshalb haben Sie sich zum ersten Mal für Design interessiert, und warum gerade für das Automobildesign?
Ich habe meine Liebe für Autos früh entdeckt. Shojiro Ishibashi, mein Großvater, wurde während der Meiji-Ära in Japan geboren, als das Land rasch industrialisiert wurde. Im Alter von 17 Jahren übernahm er das Unternehmen seiner Familie und wurde 1910, nachdem er den ersten in Kyushu zugelassenen Wagen gekauft hatte, schnell von Autos in den Bann gezogen.
Shojiro dehnte die Unternehmensaktivitäten auf Reifenherstellung aus. Ab Mitte der 1930er Jahre entschied er nur Wagen zu kaufen, bei denen seine Produkte zur Standardausrüstung gehörten. Eines der Autos, das er schätzte, war ein Lincoln Zephyr aus dem Jahr 1936 – eine elegante Limousine mit einem V12-Motor unter der Haube. Ich habe es geliebt, mit ihm in diesem Auto zu fahren! Ich stand hinter den Vordersitzen und schaute so weit wie möglich voraus, um zu sehen, wo es hinging.
Im Jahr 1949 hatte mein Großvater die Gelegenheit, in die Automobilproduktion zu investieren. Im Laufe der Zeit wurde er Eigentümer und Geschäftsführer einer Autofirma namens Prince Motors. Das Unternehmen lieferte der kaiserlichen Familie Ende der 1950er Jahre viele Wagen. Als der ehemalige japanische Kaiser und die Kaiserin 1959 als Prinz und Prinzessin heirateten, wurde das Automobilunternehmen unter dem Namen Prince Motors bekannt. 1969 fusionierte Prince Motors mit Nissan. Eine Prince-Legende lebt heute noch fort – als Nissans GT-R, eines der beliebtesten japanischen Autos in den USA.
Aus dieser Zeit stammt auch mein Interesse am Automobildesign. Mein Vater, Kanichiro Ishibashi, nahm mich mit in den Hauptsitz von Prince Motors, wo ich ein elegantes Auto in einem wunderschönen Smaragdgrün sah, das in einer dunklen, mit Holz verkleideten Garage geparkt war. Das Auto war gerade von seiner Einführung auf dem Turiner Autosalon gekommen. Es war für mich ein unvergessliches Erlebnis, die Entwicklung eines so aufregenden Designs zu erleben.
Als ich etwa 14 war, entwarf ich mit einem Tintenschreiber auf Papier verschiedene Autos. Auch als ich ab 1964 in den USA die Highschool besuchte, zeichnete und baute ich in meinem Wohnheim weiter Modellautos aus Kunststoff. Ich versuchte, mich selber zu schulen, indem ich einen Rennwagen in der Art eines Ferrari 330 P2 zeichnete. Das war nicht einfach.
Ein Wendepunkt kam 1969, als ich in meinem dritten Jahr an einer Hochschule für Geisteswissenschaften in Kalifornien war. Ich war der Wirtschaftswissenschaften – meines Hauptfachs – überdrüssig. Um gegen meine Langeweile anzukämpfen, besuchte ich einen Zeichenkurs in einem nahe gelegenen College, das einen guten Kunstlehrplan hatte. Eines Abends sah sich meine Frau Mayari meine Zeichnungen für den Unterricht an.
Mayari muss gedacht haben, dass ich künstlerisches Talent habe, denn sie sagte: „Du solltest auf eine professionelle Design- und Kunstschule gehen.“ Die einzige Schule, die ich kannte, war das Art Center College of Design. Ich stellte schnell eine Mappe meiner Arbeiten zusammen, die auch Zeichnungen von Autos enthielt. Nach einem Interview wurde ich aufgenommen. Mayari und ich packten all unsere Habseligkeiten in einen Umzugswagen und fuhren los, auf den kalifornischen Freeways. Es war eine unvergessliche, spannende Zeit für uns, weil wir voller neuer Hoffnung für unsere Zukunft waren.
Rückblickend glaube ich, dass es mein Vater war, der mich in das Automobildesign einführte. Als ich an der Hochschule für Geisteswissenschaften war, hatte ich Schwierigkeiten, Englisch zu lernen, obwohl ich in Marketing die besten Noten hatte. Die Kombination von zwei Fächern – Marketing und später Design – bildete die Grundlage für meine Zukunft.
Wie sind Sie auf den Namen AXIS gekommen, als Sie später ein Design Center in Tokio gründeten?
Um 1979 haben wir uns für AXIS entschieden, als wir eine Marke im Kontext unserer kreativen Aktivitäten schaffen wollten. Im Gebäude befanden sich designorientierte Läden und wir wollten uns im Mittelpunkt einer neuen Designbewegung positionieren. Der Name AXIS fasste symbolisch all unsere Aktivitäten zusammen, die aus einer beharrlichen Fusion verschiedener Design- und Entwicklungswege bestanden.
Das Foto auf dem Cover der ersten Ausgabe des AXIS-Magazins stellte dieses Konzept dar. Es zeigte einen glänzenden Stahlschacht, der sich über einem Küstenstrand erhebt und zum Horizont und darüber hinaus weist. Es mag arrogant klingen, aber wir wollten damit den Anbruch einer neuen Zukunft andeuten.
Sie waren an der Entwicklung von AXIS, des ARTIZON MUSEUMS und der Ishibashi Foundation beteiligt. Hatten Sie auch die Verantwortung für praktische Designaufgaben bei AXIS, dem Museum oder der Stiftung?
Heutzutage brauchen Unternehmen zunehmend eine designorientierte Vision. Die Person, die die endgültigen Geschäftsentscheidungen trifft, beeinflusst auch die Designleistung des Unternehmens. Im Gegenzug wirkt sich das Design auf die Gesamtleistung des Unternehmens aus. Heute beschränken sich meine Aktivitäten bei AXIS auf die Beratung des Managements. Das Geschäft wird vom Management-Team geführt. In ihm leitet Mitsuhiro Miyazaki die Designberatungsprojekte und andere designbezogene Aktivitäten. Ich widme jetzt einen Großteil meiner Zeit der Verwaltung der Stiftung und des Museums.
Da ich Präsident der Nagasaka Corporation und federführend für die architektonische Gestaltung des Museum Tower Kyobashi war, der dem Unternehmen gehört, schlug ich die schematischen Layouts für die Stockwerke einschließlich des ARTIZON MUSEUMS vor. Darüber hinaus habe ich auch die Kriterien für das Konstruktionsdesign und alle integrierten technischen Systeme erstellt.
Vorrangig für mich waren eine nachhaltige Energienutzung sowie die Verhinderung von Erdbebenschäden und Katastrophen bei Hochwasser. Die finale bauliche Planung wurde von Nikken durchgeführt. Als Präsident der Ishibashi Foundation war ich zudem der Hauptgeschäftsführer für das gesamte Entwicklungsprojekt. Ich war gleichzeitig verantwortlich für die Gestaltung des Gebäudes und des Museums, was gut funktionierte.
Das beste Besucher- und Besichtigungserlebnis hatte für mich bei der Konzipierung des Museumsraums oberste Priorität. Das Museum musste einen Rahmen schaffen, der eine der wichtigsten Kunstsammlungen Japans neu aufleben ließ und ihren bereits ausgezeichneten Ruf steigerte. Für den Erfolg des Museums und die daraus entstehende Besucherbindung war es äußerst wichtig, mithilfe von Design ein kohärentes Erlebnis zu kreieren.
Ich möchte auch auf die Entstehung des Logos der Ishibashi Foundation aufmerksam machen. Die Mutterorganisation des Museums war seit 1956 für die Verwaltung des Kunstmuseums zuständig. Man hatte sich wenig um die Modernisierung der Corporate Identity gekümmert. Im Jahr 2012 haben wir ein neues Leitbild und eine neue Identität eingeführt, die als Corporate-Identity-System für die Organisation fungieren.
Ich betreute die Logoentwicklung, da AXIS den Auftrag für die Gestaltung hatte. Mitsuhiro Miyazaki war federführend für das AXIS-Designteam. Als ich dem Vorstand das einzigartig elegante „if“-Logo präsentierte, wollten sie wissen, wer es entworfen hatte. Sie waren besorgt und dachten, ich hätte einen teuren ausländischen Designer angeheuert. In Wahrheit stammte das Logo von mir und dem AXIS-Designteam.
Eine Ihrer Eigenschaften ist es, nach dem Motto „Ehre, wem Ehre gebührt“ zu leben. Möchten Sie bestimmte Designer oder Designteams erwähnen?
Ich möchte die Namen von zwei wichtigen Personen erwähnen, mit denen ich viele Jahre zusammengearbeitet habe. Die eine ist Mitsuhiro Miyazaki. Für die Stiftung hat Takashi Tabata als Creative Director einen enormen Beitrag geleistet. Als die Idee, ein neues Museum zu bauen, verwirklicht wurde, bat ich ihn 2013, zu uns zu stoßen. Takashi Tabata hat den Entwicklungsprozess des Museums maßgeblich beeinflusst, da er alle Designprojekte – Ausstellungs-, Werbe- und Editorial Design – betreut, die dazu beitragen, das neue Image und die Marke von ARTIZON zu etablieren. Ohne diese beiden Männer hätte ich nicht das erreichen können, was ich mit diesen Projekten erreicht habe.
Rückblickend hatte ich die Gelegenheit, in meinem Leben einige große Projekte zu leiten. Ich hatte immer das Glück, engagierte Menschen zu finden, die dieselben Ziele verfolgten wie ich. Ich habe mit einer vielfältigen Gruppe von kreativen Köpfen zusammengearbeitet – internen Designern, externen Designberatern, Geschäftsplanern, Marktforschern, Kunstkuratoren sowie Kollegen aus anderen Bereichen. Viele verschiedene Unternehmungen und Tätigkeiten im Laufe der Jahre – die Gründung von AXIS, die Implementierung der Corporate Identity von Bridgestone, der Bau des ARTIZON MUSEUMS, die Tatsache, dass ich das Management von dem Wert aussagekräftigen Designs überzeugen konnte – waren erfolgreich, weil sich viele tüchtige Menschen mit Hingabe für sie eingesetzt haben. Ich möchte diese Auszeichnung daher all denen widmen, die mich in der Vergangenheit unterstützt haben.
Mitsuhiro Miyazaki und Takashi Tabata scheinen sehr passionierte, begabte Menschen zu sein. Alle, die in den verschiedenen Designbereichen des Museums arbeiten, müssen großartige Designer sein?
Nur wenige Museen in Japan stellen Designer ein. Kein anderes Kunstmuseum beschäftigt einen Designdirektor. Takashi Tabata arbeitet eng mit Kuratoren zusammen und koordiniert alle laufenden Designprojekte. Er beaufsichtigt unter anderem das Editorial Design aller Publikationen – Jahresberichte, Ausstellungskataloge, Sammlungskataloge, Handzettel, Plakate usw. Zusätzlich ist er für das Design unserer eigenen Waren und aller anderen Artikel, die gestaltet werden müssen, verantwortlich.
Während des Museumsbaus war er für die Innenarchitektur und das Außendesign zuständig. Der KYOBASHI-Stuhl, der 2022 mit dem Red Dot: Best of the Best ausgezeichnet wurde, ist ein Teil der von Tonerico entworfenen Inneneinrichtung des Museums. Ich habe mit einem Team talentierter Menschen, die alles im modernen japanischen Stil gestalten, das große Los gezogen. Ich bin stolz, dass die Ergebnisse ihrer gemeinsamen harten Arbeit Besucher aller Altersgruppen in Staunen versetzen. Ich habe mich schon immer für die Wirkung von hervorragendem Design eingesetzt und habe meine Karriere dieser Leidenschaft gewidmet.
Das ARTIZON MUSEUM präsentiert eine gut gestaltete Umgebung, in die Besucher voll und ganz eintauchen und zeitlose Meisterwerke genießen können. Mithilfe der ARTIZON Cloud-Datenbank bietet das ARTIZON MUSEUM dank unaufdringlicher und intelligenter Technologie ein einzigartiges Erlebnis, das in Japan seinesgleichen sucht.
Was waren im Laufe Ihrer Karriere für Sie die größten Herausforderungen, was die Förderung von Design betrifft?
Ich musste überzeugende rhetorische Fähigkeiten und anspruchsvolle Präsentationsfertigkeiten entwickeln, um der Geschäftsführung eines Auftraggebers meine Ideen eindrucksvoll zu vermitteln. Heute wissen wir alle, dass Design für jeden Aspekt der Geschäftsaktivität eine große Bedeutung hat. Die Designer von heute müssen dennoch weitreichende Ideen mit einzigartigen Lösungen präsentieren können. Dafür müssen sie in der Lage sein, auf umfangreiche Wissensbestände zuzugreifen, relevante Daten herauszufiltern, das eigentliche Problem zu erkennen und zu analysieren und dann eine wirksame Strategie zu entwickeln. Können wir unsere Designer entsprechend ausbilden? Können wir Designer ausbilden, Unternehmensführer zu werden? Das sind Fragen, die es immer geben wird.
Dieser Beitrag wurde vom amerikanischen Gastautor Gordon Bruce geschrieben.